Defender Europe 20 heißt die neueste militärische Operation der USA, mit der man die Einsatzfähigkeit an der NATO-Außengrenze in Polen, Georgien und dem Baltikum prüft. Auch in Deutschland sind mehrere Übungen geplant. Rund 20.000 Soldaten werden dafür aus den USA nach Deutschland und Osteuropa verlegt. Insgesamt beteiligen sich 19 Staaten mit circa 37.000 Soldaten an der Großübung. Neben den Truppen ziehen auch schwere Fahrzeuge durch die Staaten – auf Schienen und Straßen öffentlich sichtbar. Dabei wird es vermutlich in einigen Gegenden zu Verkehrsbehinderungen kommen. Denn Deutschland spielt bei dieser Operation eine immens wichtige Rolle. Wie die Bundeswehr ankündigte, werde Deutschland die USA logistisch unterstützen und damit Dreh- und Wendepunkt sein.
Dass der offiziellen Begründung der USA, man wolle an den NATO-Außengrenzen die Einsatzfähigkeit im Worst-Case-Szenario proben, kein allzu großer Wert beigemessen wird, dürfte wohl kaum überraschen. Vielmehr dient diese Aktion der Provokation gegenüber den feindlichen Staaten Iran, China und besonders Russland, die direkt vor der eigenen Grenze das Militär des Kontrahenten dulden müssen. Vielmehr aber schockiert die Tatsache, dass Deutschland selbst kaum eine Ahnung von dem hat, was die USA in Wirklichkeit vorhaben. Das beginnt schon bei der Routenplanung für die Verlegung von Truppen und Fahrzeugen. So muss beispielsweise die Stadt Düsseldorf auf Nachfrage der Linken-Fraktion im Stadtrat zugeben, dass sie nicht weiß, wann, was, wo und wohin Verlegungen des US-Militärs überhaupt stattfinden. Trotzdem dürfen die Fahrzeuge unsere Transportwege malträtieren – als gäbe es in Deutschland nicht schon genug Probleme mit Staus oder Bahnausfällen. Und damit noch nicht genug mit der deutschen Unwissenheit. Es gibt zwar auch gemeinsame Militäroperationen, in denen US-Soldaten mit Truppen anderer NATO-Staaten zusammenarbeiten. Doch auf der ohnehin schon kontroversen Ramstein Air Base in Rheinland-Pfalz bleiben die US-Truppen auch während „Defender Europe 20“ lieber unter sich und üben im Verborgenen. Deutschland fungiert in dieser Operation ganz stumpf als Vasallenstaat, der am besten nicht zu viel wissen sollte.
Wir Deutschen haben den USA viel zu verdanken. Vor 75 Jahren befreiten sie unter anderem die Deutschen aus der Nazi-Herrschaft, halfen danach beim Wiederaufbau der westlichen Bundesrepublik und förderten die Wiedervereinigung vor 30 Jahren. Das alles möchte ich hier keinesfalls in Abrede stellen. Doch die Zeiten, in denen die Bundesrepublik Deutschland den USA als kleiner Bauer auf dem Schachfeld der internationalen Politik diente und sich beizeiten verschieben oder opfern lässt, müssen vorbei sein. Dass sich im Jahre 2020 immer noch dauerhaft US-amerikanische Truppen mitten in Deutschland aufhalten, ist keine Tatsache, die Deutschland als souveränen Staat darstehen lässt. Uwe Steimle bezeichnete Deutschland nicht umsonst als „Besatzungsgebiet der USA“. Deutschland führt keinen aktiven Handelskonflikt mit China und ist trotzdem in diesem Streit einer der Dummen. Doch überall, wo die USA ihre Finger im Spiel haben, müssen die Deutschen kuschen.
Zudem sollten wir uns den Sinn der NATO nochmal klar machen, die ja neben den USA und Deutschland mit 17 weiteren Staaten vertreten ist. Oberstes Ziel der Nordatlantischen Vertragsorganisation ist die kollektive Verteidigung aller Mitglieder, sowie, und jetzt wird es wichtig, der freundliche Dialog zu anderen Staaten und Organisationen. Der Dialog via Militäroperationen dürfte damit sicherlich nicht gemeint sein. Diese Ansprüche werden von den USA in diesen Tagen jedoch gehörig mit Füßen getreten.
Für Deutschland wird es endlich Zeit, ein starker und vor allem völlig autonomer Staat in Sachen militärischer Staatsgewalt zu werden. Das würde außerdem den Beziehungen zu Russland helfen, die zuletzt wieder vereisten. Will Deutschland zum Superstaat aufsteigen, braucht es unter anderem eine funktionierende Äquidistanz zwischen Russland und den USA. Bleibt man allerdings der Steigbügelhalter von Herrn Trump und den darauffolgenden US-Präsidenten, lässt man sich auch weiterhin auf dem eigenen Grund und Boden an der Nase herumführen. Deutschland ist der einzige Staat, der die völlig aus dem Ruder laufenden Machtansprüche der USA stoppen kann und die NATO nicht vollends zu einer US-amerikanischen Spielfigur umwandeln lässt. Ich bin mir sicher, dass ein souveränes Deutschland der perfekte Vermittler zwischen Ost und West ist …